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WAS IST EIN BILD?

4. Dezember 2015 von andrea

August Ruhs

WAS IST EIN BILD?

Geleitet von Begrifflichkeiten wie Imago und Narzissmus, durch welche die Konzeptionen des Unbewussten mit Nachdruck um die Dimension des Unsichtbaren erweitert wurden, drängte sich mit dem Iconic Turn in der Psychoanalyse die Frage nach der Wirkung des Bildes auf die Entwicklung des menschlichen Subjekts in den Vordergrund. Damit wurde die den Bildern grundsätzlich innewohnende Faszination auf deren ursprüngliche Bedeutung der Behexung zurückgebunden, so dass die verwandelnde Wirkung der Bilder gegenüber ihrem Attraktionscharakter deutlicher hervortreten konnte. Mit den verschiedenen Ansätzen zu einer psychoanalytischen Theorie des Imaginären, die in Anbetracht gesellschaftsrelevanter medialer Umwälzungen vor allem im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts die Identifizierungskraft des Schautriebes besonders herausarbeiteten, wurde auch die traditionelle Logik der Bilder im Bereich der Kultur- und Kunstwissenschaften ernsthaft in Frage gestellt.

In dieser Hinsicht konnte die strukturale Psychoanalyse Lacans mit ihrer Konzentration auf den frühen Freud die Erkenntnisarbeit in besonderer Weise vorantreiben. Insbesondere nach der Konzeptualisierung des Spiegelstadiums als grundlegendem Organisator der Ich-Genese und in Zusammenhang mit der Frage nach den Konstituenten des Schautriebs, mit der Bestimmung des Blicks als eines der primären Partialobjekte, mit der Betonung des Bildhaften jedes Objekts überhaupt im Gegensatz zum unrepräsentierbaren Ding und schließlich mit der Unterscheidung zwischen geometraler Optik und Lichtoptik ergab sich auch eine bedeutsame Differenzierung des Bildbegriffs: Ko-extensiv verknüpft mit den Kategorien des Realen und des Symbolischen erweist sich demnach das dem Prinzip der Ähnlichkeit verhaftete Imaginäre als eine Repräsentanz, die durch ihre gewohnte Bindung an das Feld des Visuellen allein nicht mehr definierbar ist. Was allerdings diesen enger umschriebenen Bereich von Sichtbar/Unsichtbar anbelangt, ist die Differenzierung des Bildbegriffs als Gegensatzpaar von image und tableau, wie sie von Lacan ab 1964 vorgeschlagen wird, folgenreich für die Analyse und Interpretation von Werken bilderproduzierender Künste, woraus sich auch wesentliche Beiträge zu einer spezifischen psychoanalytischen Medientheorie ergeben.

Wenn es gilt, dass der Verlust des Anblicks Bedingung des Denkens ist (Pontalis), so gilt auch, dass das Verharren im Bildhaften die Dimension des Begehrens zugunsten des Genießens im Imaginären verschließt. Auch für die psychoanalytische Praxis ist ein solcher Sachverhalt nicht ohne Belang.

Eine überarbeitete Fassung dieses Vortrags findet sich in Ulrike Kadi, Sabine Schlüter, Elisabeth Skale (Hg.): Vom Unbewussten III-IV. Sigmund-Freud-Vorlesungen 2014. Wien: Mandelbaumverlag 2015.

Die Sigmund Freud Vorlesungen sind eine Veranstaltung der Wiener Psychoanalytischen Akademie.

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