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Modalitäten, das Infinite-Monkey-Theorem und die unendliche Zeit

30. Juni 2011 von Georg Friedrich

Der Ansatz die Modalitäten in zeitlichen Begriffen zu definieren, ist in vielerlei Hinsicht eine Alternative zu logisch-formalen sowie semantisch-metaphysischen Definitionsversuchen. Zeitliche Modalitäten sind aber vor allem eine einfache und elegante Lösung, um zu erklären, was „möglich“ und „notwendig“ bedeuten. Die logisch-formalen Definitionen sind in der Regel rein syntaktische Definitionen, die bloß die Folgerungsbeziehungen festlegen, die für einen Satz gelten, der einen Modaloperator enthält. Streng genommen wird dabei jedoch nicht erklärt, was die Modalitäten bedeuten. Der semantisch-metaphysische Erklärungsansatz, der von möglichen Welten spricht, macht weitreichende Annahmen, die um nichts verständlicher sind als die Begriffe, die definiert werden sollen. Hingegen scheinen die folgenden Definitionen sowohl einfach verständlich als auch zutreffend zu sein: Etwas ist definitionsgemäß möglich, wenn es irgendwann einmal der Fall ist. Und etwas ist notwendig, wenn es immer der Fall ist. Kontingent ist das, was gegenwärtig der Fall ist, aber nicht immer der Fall war oder nicht immer der Fall sein wird. Wie man sieht, sind „notwendig“ und „omnitemporal“ nach dieser Interpretation gleichbedeutend. Dem Einwand, dass auch möglich sein sollte, was nie verwirklicht wird, kann entgegnet werden, dass man sich für die Erklärung der Modalitäten in hypothetischer Weise annimmt, dass die Zeit unendlich verläuft. In einer unendlichen Zeit wird alles, was möglich ist auch einmal verwirklicht werden. Für die Erklärung ist es unerheblich, ob die Zeit tatsächlich endlich oder unendlich ist. An dieser Stelle muss einerseits darauf hingewiesen werden, dass hier von echten Modalitäten die Rede ist und nicht von einem alltäglichen nichtphilosophischen Sprachgebrauch. „Es ist möglich, dass es heute regnet“ ist ein Beispiel für eine alltägliche Verwendungsweise, in „Es ist notwendig, dass ich mit mir selbst identisch bin“ kommt eine echte Modalität vor. Anderseits drängt sich die Frage auf, warum in einer unendlichen Zeit alles was möglich ist, auch tatsächlich einmal verwirklicht werden sollte. Die Antwort liefert das Infinite-Monkey-Theorem. Das Infinite-Monkey-Theorem besagt, dass irgendeiner einer unendliche Anzahl von zufällig auf einer Schreibmaschine herumtippenden Affen es auf Anhieb zustande bringen würde, ein beliebiges literarisches oder philosophisches Werk zu tippen. Das ist schlicht eine Frage der Wahrscheinlichkeit und mathematisch beweisbar. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für einen einzelnen tippenden Affen dies zu tun, annähernd bei Null liegen und die Seiten an sinnlosen Zeichenketten gigantische Ausmaße annehmen würden, wird man unter diesen Seiten Platons Dialoge oder Schillers Räuber finden. Diese Erkenntnis kann bei der Suche nach einer Definition der Modalitäten nützlich sein. Wenn man das Wesen einer unendlichen Zeit adäquat erfasst, erkennt man, dass in diesem zeitlichen Rahmen alles, was möglich ist, auch irgendwann einmal verwirklicht sein wird oder verwirklicht war. Es ist einfach eine Frage der Geduld bzw. der Zeit. Die möglichen Welten, die man zur Definition der Modalitäten herangezogen hatte, kehren hier in veränderter Form zurück. Sie stehen jedoch nicht als Paralleluniversen eines modalen Realismus „nebeneinander“ sondern gewissermaßen „nacheinander“. Nacheinander stehen sie natürlich nicht insofern, als es eine Welt nach der anderen gäbe, sondern nur insofern, als ein Ereignis irgendwann nach einem anderen Ereignis eintritt.

Diskussion zum Vortrag.

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