Kants Philosophie wird vielfach als vorbildlich für ein liberales Staats- und Rechtsverständnis gelobt, Hegels Rechtsphilosophie hingegen als staats- und machtzentriert zurückgewiesen. Kant und Hegel müssten aber gleichermaßen als illiberal verstanden werden, wenn man von einem negativen Freiheitsbegriff ausgeht; denn für beide ist nur der vernünftige Wille frei. Für einen positiven Freiheitsbegriff, wie ihn Kant und Hegel vertreten, kommt aber im Prinzip nur dem vernünftigen, allgemeinen Willen ein Recht zu, nicht aber dem sinnlichen Wollen, den partikularen Interessen. Im Gegensatz zur verbreiteten Lesart erlaubt aber gerade Hegels Philosophie, dem Besonderen ein Recht zuzusprechen, nicht aber Kants Zwei-Welten-Lehre. Allerdings hat Kant mit dem Begriff der Selbstorganisation eine Denkfigur entwickelt, die sinnliche und intelligible Welt verbindet und mit der auch Hegels Rechts- und Staatsphilosophie besser verstanden werden kann. Das Gemeinwesen ist demnach ein sich selbst organisierendes und ausdifferenzierendes Ganzes, in der jeder besonderen Sphäre ihr angemessenes Recht zukommt.