Inhabiting the Im:Possible
Mag. Dr. Arno Böhler, Privatdoz.
8.03.2022
Das Ziel dieser Vorlesung besteht darin, ihnen philosophische Grundbegriffe tantrischer Philosophien zu vermitteln.
(1) Grundlegend für ein Verständnis tantrischer Philosophien ist die Vorstellung, die auch viele Vertreter*innen des New Materialism teilen, dass Bewusstsein (cit) eine Form von Mattering impliziert (spanda). Im Kontext tantrischer Philosophien müssen wir daher immer von einem „body of consciousness“, einem Schwingungskörper des Bewusstseins (Spandakārikā) sprechen. Ohne ihn wäre Bewusstsein außer Kraft gesetzt.
(2) Das pulsierende Zentrum der Geistmaterie ist das Herz (hṛdaya). Mit ihm ist kein Organ gemeint, sondern ein Habitat. Es ereignet sich als ein pulsierendes Feld, sozusagen als eine universelle Eigenschaft des Raumes, die im Herzorgan (z. B. eines Menschen) zur Empfindung kommt und damit am eigenen Leib spürbar wird.
(3) Diese Empfindungsfähigkeit von uns umgebenden Atmosphären ist der Geschmackssinn (rasa). Er bildet die Grundlage unseres ästhetischen Empfindungsvermögens, unserer Sensibilität, Irritabilität und Erotik (sahṛdaya).
(4) Wird der Geschmackssinn in meditativen und künstlerischen Praktiken auf die (chronische) Natur des Selbst (svarūpa) gerichtet, dann kann es am eigenen Leib zu einer Selbstempfindung dieses Selbst (svasvarūpa / vimarśa) kommen. Sie ereignet sich, ähnlich wie bei Platon, als ein Akt der Wiedererinnerung (pratyabhijñā) an jene Form des Selbstseins, in der man – und das genau war die philosophische Provokation des Tantrismus gegenüber anderen philosophischen Schulen in Indien – das Absolute sinnlich berührt (sparśa).