Der Vortrag untersucht eine Konvergenz im Sprachverständnis Celans und Heideggers. Für Heideggers Werk wird in der Folge seiner Hölderlin-Interpretation das Verhältnis von Denken und Dichten entscheidend. Die Dichtung gilt ihm als eine ausgezeichnete Form der Sprache, in der das Wesen der Sprache überhaupt zu Vorschein tritt. In der Dichtung zeigt sich nicht zuletzt, wie der Mensch durch die Sprache auf seinen Tod bezogen ist. Existentielle Erfahrungen der Negativität haben für Heideggers Sprachverständnis, wie sich an seinen Trakl-Interpretationen aus Unterwegs zur Sprache zeigen lässt (1952/58), eine bestimmende Funktion. Die dabei thematisierten Figuren der Schwelle, des Bruchs und des Fehlens verweisen auf ein zugrundeliegendes Verständnis von Sprache als dialogisches Geschehen, dessen Vollzug immer wieder gefährdet ist. Celans Gedichtband Mohn und Gedächtnis (1952) endet mit einem Gedicht, an dem sich ein Heidegger verwandtes Bemühen um die Sprache exemplarisch zeigen lässt. Das persönliche Leid des Dichters, das durch seine Zugehörigkeit zum europäischen Judentum eine historische Tragweite besitzt, äußert sich nicht nur in dem Ringen um eine eigene Sprache. Celan versucht auch anderen eine Sprache zu geben. In Zähle die Mandeln spricht Celan zu einem „Du“, dem er die Möglichkeit geben möchte, das eigene Wort zu finden. Das „Du“ kann als Ansprache an Ingeborg Bachmann verstanden werden. Das Motiv der „Mandel“ verweist wiederum auf den russischen Dichter Osip Mandelstamm, der 1938 im sibirischen Arbeitslager seinen Tod fand. Desweiteren treten das „Erlauschte“ und der „Tod“ als Begleiter des „Du“ auf. In diesem Gedicht zeigt sich somit auf verdichtete Weise, wie das Verständnis der Sprache als dialogisches Geschehen entfaltet werden kann. Die dabei gewonnnene Freiheit des dichterischen Worts bildet sowohl Anreiz als auch Grenze der Philosophie.
Diskussion zum Vortrag.