Vortrag am 10.Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Philosophie, Innsbruck 2015. http://www.uibk.ac.at/ipoint/blog/1326563.html
In der aktuellen Debatte einer Philosophie der Gefühle lassen sich zwei große Diskurse bzw. philosophische Projekte voneinander unterscheiden: einerseits ein angelsächsisch geprägter Diskurs, andererseits ein phänomenologischer Diskurs. Zu ersterem zählen Autoren wie Ronald de Sousa, Martha Nussbaum, Peter Goldie, Sabine Döring. Hier geht esum eine „Philosophie der Emotionen“ als eigenständige und ausdifferenzierte philosophische Disziplin einer einheitlichen Klasse von Phänomenen. Dieser Diskurs hat eine großeNähe zur philosophy of mind und gerät mit seinen Ausarbeitungen zu den Gefühlen immerwieder in Diskrepanzen zu deren Grundmotiven. Im phänomenologischen Diskurs gehtes demgegenüber darum, anhand der Affektivität und Gefühlen die Grundfragen der Phänomenologie neu zu formulieren, ohne aber an einer eigenen Disziplin zu den Gefühlenein großes Interesse zu zeigen. Wichtige Bezugsautoren sind hier: Husserl, Levinas, Richir,Henry, Marion, Waldenfels. Anliegen des Vortrages ist es, die Fragefelder des angelsächsisch geprägten Diskurses (Rationalität, Intentionalität, Leiblichkeit von Gefühlen) mitMotiven der Phänomenologie (Passivität, Widerfahrnis, Sinnereignisse) in Verbindungzu bringen. Dies soll anhand der Phänomenologie von Bernhard Waldenfels geschehen.Entlang seiner Position wird es möglich, den pathischen Charakter an Gefühlen (Widerfahrnis-Charakter) stärker zu gewichten und Gefühle von hier aus zu bestimmen, anstattbei kognitiven Inhalten oder einer Rationalität anzusetzen. Diese „Gewichtsverlagerung“erlaubt damit, auch nach einem Zug an Gefühlen zu fragen, der uns aus der alltäglichenErfahrung nur allzu sehr vertraut ist: dass uns Gefühle verletzen. Im Vordergrund des Vortrages steht damit die Frage: Wie ist es zu denken, dass der Mensch von Gefühlen getroffenund verletzt werden kann? Ziel ist es, den pathischen Charakter an Gefühlen und dessenSteigerung ins Pathologische auszuarbeiten. Zugegebenermaßen hat Waldenfels keine eigene Phänomenologie der Gefühle formuliert. Wohl aber ist sein Werk (besonders Bruchlinien der Erfahrung sowie Antwortregister) durchsetzt von Fragmenten und Motiven, diees erlauben, im Zuge einer „Spurensuche“ eine solche zu erarbeiten. Der Vortrag nimmteine Wendung aus dem Aufsatz von Waldenfels („Der leibliche Ort der Gefühle“) für einsolches Vorhaben programmatisch, indem es um eine „phänomenologische Neubestimmung der Gefühle [geht], die vom pathischen Charakter der Erfahrung ihren Ausgangnimmt und in der Leiblichkeit der Erfahrung ihre Nahrung findet“. Entsprechend soll esim Vortrag darum gehen, mit Schlüsselmotiven der Phänomenologie Waldenfels’ (Pathos,Response, Leiblichkeit, Einbruch des Fremden) einen Begriff von Gefühlen zu gewinnen,bei dem Widerfahrnis und Verletzbarkeit im Zentrum stehen.