Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in England das moderne Aquarium erfunden. In seinen zwei Ausprägungen als öffentliches Tiefsee- und privates Süßwasseraquarium feierten diese Vorrichtungen bald auch in Deutschland große Erfolge. Das bis dato unbekannte Leben unter Wasser zog das Interesse breiter Kreise professioneller Forscher, naturwissenschaftlich gebildeter Amateure und schaulustiger Besucher auf sich, die sich nun aus nächster Nähe mit dem aquatischen Milieu und seinen Gesetzmäßigkeiten beschäftigen konnten. Im Zentrum der Auseinandersetzung mit der neu entdeckten Unterwasserwelt stand für die Aquarienbauer und -besitzer zunächst die Schaffung eines quasi-naturhaften Habitats für die Tiere. Es galt, die lebenswichtige Balance zwischen bestimmten Fischarten sowie zwischen Fauna und Flora im Aquarium zu wahren, um so Leben im Künstlichen zu ermöglichen. Aufschlussreich sind die Diskussionen über die Fischbehältnisse jedoch nicht nur in Hinblick auf die Tiere: Stellt das Aquarium nicht geradezu ein Modell jener Stabilisierungs- und Kontrolltechniken bereit, die in Bezug auf die sozialen Milieus der Zeit zur Debatte standen bzw. bereits implementiert wurden? Und was sagen diese Salonozeane und Kristallgefängnisse über die Seh(n)süchte ihrer Besucher und Besitzer aus?
Parlor oceans, crystal prisons: Das Aquarium als Schauraum bürgerlichen Selbstverständnisses
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