Die „Theorie der Evolution“ dürfte die in der öffentlichen Rezeption wie auch in ihrer Wirkung auf Geistes- und Sozialwissenschaften derzeit einflussreichste naturwissenschaftliche Theorie darstellen. Wegen ihres weitreichenden Erklärungsanspruchs und ihrer scheinbaren Übertragbarkeit auf andere Phänomene steht sie im Schnittpunkt von Naturwissenschaft, Philosophie und Religion. Innerhalb der Naturwissenschaften, im besonderen innerhalb der Biologie gilt sie – als „Tatsache“ – weitgehend als sakrosankt und nicht mehr weiter diskussionsbedürftig. Bei näherem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass keineswegs ganz klar ist, was jeweils unter Evolution verstanden wird. Je intensiver man sich mit der Evolutionstheorie auseinandersetzt, desto mehr Fragen stellen sich zudem. Erst seit kurzem werden problematische Implikationen der Evolutionstheorie auch in der Biologie selbst zaghaft diskutiert. Von Anfang an hat die These des „survival of the fittest“ normative Auslegungen provoziert, obwohl sie prinzipiell ganz wertfrei das Angepasstsein an irgendwie geartete Umweltumstände meint. Die offensichtliche Unsinnigkeit der Behauptung einer bloßen Vorteilsorientierung hat die Soziobiologie dahingehend aufzulösen versucht, das Individuum sei einzig bestrebt, seine Gene weiterzugeben. Dieser Ansatz treibt heute jedoch seinerseits die skurrilsten, leicht zu widerlegenden Blüten. Jede Berufung auf „Evolution“ muss also zuerst genau daraufhin geprüft werden, was sie damit in Anspruch nimmt: Dies gilt in besonderem Maße für die Übertragung auf kulturelle Phänomene. Zu unterscheiden wäre grundsätzlich zwischen den (meist brachial simplifizierenden und methodisch unzulänglichen) Versuchen, Evolutionstheorie auf „Kultur“ anzuwenden einer- und Übernahmen evolutionärer Theoriebestandteile in erkenntnis- oder sozialtheoretische Modelle andererseits. Was aber bedeutet das Paradigma der Evolution grundsätzlich für die Philosophie? Was impliziert die Erklärung kultureller Phänomene durch Evolution? Und welches Bild vom Menschen korrespondiert schließlich der These seiner evolutionären Entstehung?
Diskussion zum Vortrag.