Im Rahmen der Debatte um die Natur personaler Autonomie wird gelegentlich die Ansicht vertreten, dass eine Person nur dann autonom sein kann, wenn die Genese ihrer Handlung oder Lebensweise gewissen Bedingungen genügt. Verbreitet ist in diesem Zusammenhang die Auffassung, autonome Entscheidungen oder Lebensweisen müssen unter der Bedingung der Unabhängigkeit zu Stande gekommen sein: Autonom ist man nur, wenn gewisse Einflüsse in der Vorgeschichte einer Handlung oder Lebensweise (wie beispielsweise Manipulation oder Zwang) ausgeschlossen werden können. Dieser Vortrag untersucht, welche Rolle Unabhängigkeit im Rahmen einer Autonomiekonzeption spielen kann. Dazu wird in einem ersten Schritt in Auseinandersetzung mit den Vorschlägen von Gerald Dworkin und Marina Oshana aufgezeigt, dass die Bedingung der Unabhängigkeit oft implizit zirkulär ist und bereits eine Autonomiekonzeption voraussetzt, die ohne die Bedingung der Unabhängigkeit formulierbar ist. In einem zweiten Schritt wird anhand einer Parallele zur Debatte um Menschenwürde und in Auseinandersetzung mit Joseph Raz’ Verständnis der Unabhängigkeitbedingung dafür argumentiert, dass die übrigen Varianten der Auffassung, Unabhängigkeit sei eine konstitutive Bedingung personaler Autonomie, mit dem sog. Begründungsproblem konfrontiert sind: Sie haben keine argumentativen Ressourcen, um überzeugend zu begründen, warum man Autonomieverletzungen unterlassen sollte bzw. was an Autonomieverletzungen wie Zwang und Manipulation eigentlich schlecht ist. Dieses Problem geht darauf zurück, dass diese Ansätze nicht zwischen (a) den für (fehlende) Autonomie konstitutiven Bedingungen und (b) Bedingungen für die Verletzung von Autonomie unterscheiden können. Schließlich wird in einem dritten Schritt ein Vorschlag unterbreitet, wie man im Rahmen einer normativen Autonomiekonzeption zwischen diesen beiden Arten von Bedingungen unterscheiden und damit das Begründungsproblem vermeiden kann.
Diskussion zum Vortrag.